Eine Geschichte, die das Leben hätte schreiben können

Schreibst du gerne Briefe oder Postkarten? Schade, dass dies im Leben der Menschen immer weniger wird. Im Zeitalter von WhatsApp und Internet geht eine Nachricht so viel schneller. Mir geht es genauso.

Vor ein paar Tagen habe ich in einem Ordner meines Fernstudiums KREATIVES SCHREIBEN etwas nachschlagen wollen und bin, wie könnte es auch anders sein, dabei hängengeblieben, und habe geblättert und geblättert und geblättert. Habe mir die Erklärungen des Dozenten noch einmal durchgelesen und geschmunzelt, wie sich der Schreibstil innerhalb von sieben Jahren verändert hat. Dabei fiel mir ein Briefwechsel auf, den es so auch im realen Leben gegeben haben könnte.

Meine Geschichte, die ich vor sieben Jahren geschrieben habe, hat mich tatsächlich berührt und ich habe mir gedacht, dass ich dir heute den Briefwechsel von Katharina und Sophie vorstelle. Er ist eine Kurzgeschichte und wie Kurzgeschichten sind, hat er keinen richtigen Anfang und kein richtiges Ende. Es bleibt den Leserinnen und Lesern überlassen, wie sie in Gedanken das Ende weiterspinnen.

 

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Liebe Katharina,

ich hoffe, ich darf Sie einfach Katharina nennen. Ich habe gestern im ICE nach Hamburg Ihr Buch gefunden. Ich bin in Fulda eingestiegen und der Platz neben mir blieb leer. Nur das Buch lag da. Da mir die Zeit zu lang wurde, habe ich darin geblättert. Dabei habe ich vorne im Einband Ihren Namen und Ihre Adresse entdeckt. Ich dachte mir, ist diese Adresse noch aktuell? Gibt es Katharina noch, oder hat jemand das Buch von Katharina bekommen? So schreibe ich Ihnen heute diesen Brief und wenn Sie die Katharina sind, dann würde ich mich über eine Antwort freuen. Ich möchte Ihnen das Buch gerne wiedergeben.

Viele Grüße Sophie Tournè

Liebe Sophie,

herzlichen Dank für Ihre Zeilen. Ich war ein paar Tage in Fulda zu Besuch. Die Post wurde für mich gelagert und so kann ich Ihnen heute erst antworten. Ja, ich war etwas in Eile, denn fast hätte ich den Ausstieg in Fulde verpasst. Dabei habe ich das Buch leider vergessen. Aber wenn Sie schon darin geblättert haben, vielleicht interessiert es sie ja. Sie können es gerne erst lesen und schicken es mir dann zurück. Ich finde das sehr freundlich von Ihnen, manch einer hätte das Buch einfach mitgenommen.

Viele Grüße Katharina Saat

Liebe Katharina,

Sie sind tatsächlich in Fulda ausgestiegen? So ein Zufall. Vielleicht sind wir uns auf dem Bahnsteig sogar begegnet. Aber es waren so viele Menschen auf dem Bahnhof. Die Stadt war drei Tage durch den Kongress sehr voll und alle wollten am Freitagabend nach Hause. Mir ging es nicht anders. Ich wohne in Hamburg und arbeite bei einem Verlag. Vielen Dank für Ihr Angebot. Ich würde das Buch tatsächlich gerne lesen. Es interessiert mich. Sie werden es wohlbehalten zurückbekommen.

Ich grüße Sie ganz herzlich Sophie

Liebe Sophie,

Sie arbeiten also bei einer Zeitung. Bei welcher, wenn ich fragen darf und welches sind Ihre Themen. Halten Sie mich bitte nicht für neugierig – oder doch, ich bin neugierig. Das war ich schon immer. Neugierig auf das Leben, Reisen und die Menschen. Genau so habe ich meinen Mann kennengelernt. Wir sind uns auf einer Wüstensafari begegnet und von da an haben wir uns nie wieder getrennt. Später haben wir zusammen eine Buchhandlung in Fulda eröffnet. Apropos, haben Sie schon mein Buch angefangen zu lesen? Schreiben Sie mir, wie es Ihnen gefällt.

Liebe Grüße Katharina

Liebe Katharina,

letztes Wochenende habe ich nun endlich Ihr Buch angefangen. Es ist wunderschön geschrieben und wenn ich einmal beginne, kann ich es kaum aus der Hand legen. Ihre Neugier auf das Leben findet sich dort wieder. Ich arbeite nicht bei einer Zeitung, sondern in einem kleinen Verlag und wir bringen besondere Reiseführer und Reiseliteratur heraus. Ab und zu bin ich unterwegs, um für unsere Leser neue Eindrücke zu sammeln. Grüßen Sie Ihren Mann von mir und ich freue mich auf Ihren nächsten Brief.

Sophie

Meine liebe Sophie,

ich freue mich immer, wenn ich einen Brief von Ihnen bekomme. Die Grüße an meinen Mann hätte ich ihm gerne ausgerichtet, aber er ist vor drei Jahren verstorben. Ich weiß, er hätte Sie gemocht. Mit ihm hätten Sie stundenlang über ferne Länder und ihre Menschen sprechen können. In den 35 Jahren, die mein Mann und ich zusammen waren, haben wir viele schöne Reisen unternommen. Von Zeit zu Zeit besuche ich sein Grab in Fulda und wohne dann bei Freunden. Nach seinem Tod bin ich in die Nähe von meinen Kindern nach München gezogen. Wenn Sie mein Buch durchgelesen haben, bringen Sie es mir doch persönlich wieder. Sie würden mir damit eine große Freude bereiten.

Viele liebe Grüße Katharina

Liebe Katharina,

es tut mir so leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben. Ihre Zeilen haben mich etwas traurig gestimmt. Ihrem Erzählen nach kann er nur ein wunderbarer Mensch gewesen sein. Wir kennen uns noch nicht persönlich und doch sind Ihre Briefe ein Teil meines Alltags geworden. Gerne komme ich Sie besuchen und bringe Ihnen ihr Buch zurück. Nächste Woche muss ich für ein paar Tage nach Spanien. Wenn ich wieder zurück bin, melde ich mich.

Herzliche Grüße und bleiben Sie gesund Sophie

Liebste Sophie,

ich wünsche Ihnen wunderschöne Tage in Spanien, auch wenn Sie mit Arbeit verbunden sind. Dieses Land birgt für mich viele schöne Erinnerungen. Ich freue mich, Sie nach Ihrer Rückkehr endlich persönlich kennenzulernen. Erzählen Sie mir dann von Ihren Reisen?

Ihre Katharina

 

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Das war also die Geschichte zweier Frauen, die sich bisher nicht persönlich kennen. Beim Lesen kamen mir so viele Ideen, wie es mit den beiden weitergehen könnte. Welche Jahreszeit ist es, wie alt sind Sophie und Katharina, wie heißt das Buch und wie und warum hat es Katharina beeindruckt? Ist Sophie noch berufstätig und hat Katharina einen Partner?  Werden die beiden sich gut verstehen und wie unterschiedlich sind sie? Welche Vorstellung hat die eine von der anderen und werden diese erfüllt?

Hat dir der Briefwechsel gefallen? Was meinst du, wie würdest du die Geschichte weiterschreiben? Ich bin gespannt.

Liebe Grüße

Gudrun

 

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Wenn du mehr von Frankreich lesen möchtest, vielleicht wäre dann mein Roman „Sommer am Pont du Gard“ etwas für dich. Du kannst ihn in der Buchhandlung deines Vertrauens kaufen, bei Amazon oder im tredition-Shop.

 

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10 Antworten

  1. Hallo Gudrun,
    schade ist es eigentlich mit den Briefen und Postkarten.
    Eine liebe Freundin, die sehr mit der Technik vertraut ist und sie auch beruflich sehr brauchte.
    Sie hat es nie aufgegeben, von Ihren beruflichen Reisen, mir eine Postkarte zu schicken.
    Leider verstarb sie im Mai 2023 ganz plötzlich. Da merkt man erst, wie einem etwas fehlt. Nicht nur der Mensch, sondern auch diese lieben gesten, wie eine Postkarte.

    Danke für diesen schönen Artikel und Gedanken.

    Herzliche Grüße
    Elke

    1. Die wenigsten in meinem Umfeld schreiben noch Postkarten oder Briefe. Unser Nachbar, wenn er und seine Frau ab Februar 8 Wochen Urlaub in Süditalien machen, der schreibt uns eine Karte. Oder der Cousin von meinem Mann, wir schreiben uns zu Weihnachten eine Weihnachtskarte. Aber sonst, ich habe lange überlegt, nichts. Aber das ist wohl der Lauf der Zeit.
      Liebe Grüße
      Gudrun

  2. Hey,
    ich mag diesen Briefwechsel, er lässt viel Raum für die eigenen Ideen dazu. Spannend finde ich auch die Grußformeln, warum? Ich selber schreibe zumeist „Liebe Grüße!“ und frage mich, warum nicht auch mal etwas anderes. So ändern man ebenfalls, wenn auch in meinem Beispiel eine Kleinigkeit, seinen Stil.
    Liebe Grüße!

    1. Hey Jenny, ja, ich hätte wirklich eine Menge Ideen. Vielleicht schreibe ich wirklich mal weiter.
      Noch einen schönen Restsonntag.
      Liebe Grüße
      Gudrun

  3. Was für eine schöne Geschichte, daraus ließe sich ein ganzes Buch über das Leben zweier sich unbekannter Frauen spinnen.
    Neben Werbung und Rechnungen findet sich heute leider viel zu selten schöne Post im Briefkasten. Ich habe extra Postkarten gekauft, um das für ein paar liebe Menschen zu ändern – aber die Briefmarken fehlen mir noch und daher liegen die hübschen Karten unbeachtet im Schrank. Danke für die Erinnerung 😉

    1. Montags kommt bei uns zum Beispiel gar keine Post mehr und manchmal bleibt unser Postkasten sogar ganz leer. So ist das heute. Deine Idee, lieben Menschen eine Karte zu schicken finde ich toll. Und ganz ehrlich: Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Du machst das sicher noch.
      Dir noch einen schönen Sonntag und einen wunderschönen Wochenbeginn.

  4. Schöne und spannende Erzählung zweier Frauen, die sich durch Zufall schreibend näher kennen lernen… wenn ich jetzt gemein wäre würde ich sagen, wäre per whatsapp aber schneller gegangen… hihi. Quatsch, nein, es ginge vielleicht schneller, bliebe aber viel oberflächlicher, das ist ja genau der Unterschied zum „altmodischen“ Schreiben. Ich glaub, das prägt auch die Generationen, die keine Briefe und Postkarten mehr schreiben. Alles ist schneller und oberflächlicher, man macht sich nicht mehr die Mühe, über den anderen nachzudenken, zu warten. Too much information und trotzdem erfährt man eigentlich nix.
    Aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich selbst keine Briefe und Postkarten mehr schreibe. Vielleicht sollte ich das mal ändern…. :-)))
    In der Geschichte würde ich mir eine Freundschaft der beiden Frauen wünschen, die sich gegenseitig in ihren unterschiedlichen Leben bereichern…
    Liebe Grüße, Maren

    1. Liebe Maren, ja, ganz ehrlich, ich schreibe auch keine Briefe und Postkarten mehr. Das hat sich einfach so eingeschlichen und kam nicht von heute auf morgen. Wenn unsere Nachbarn in Urlaub sind und wir auf Haus und Grundstück aufpassen, dann bekommen wir von ihnen eine Postkarte und ich freue mich immer wie Bolle. Vielleicht sollten wir alle mal wieder mehr mit einem Stift schreiben.
      Ich wünsche dir einen schönen Wochenstart
      Gudrun

  5. Auch so können Begegnungen entstehen. Spannend wie doch unerwartet ein längerer Kontakt zwischen zwei unbekannten Frauen entstehen und stattfinden kann.
    Durch die freundliche Antwort, wird die Neugierde geweckt- für mich fast – ein Hallo wach Gedanke.
    Ich würde mir wünschen, dass durch ein tatsächliches Sehen nach dem Urlaub ein noch näheres beschnuppern entsteht, fruchtbar ist und mehr daraus wird – vielleicht durch gleiche oder ähnliche Interessen sogar eine Art Freundschaft die sich nicht nur auf Briefe beschränkt?
    Bedauerlich finde ich auf jeden Fall, dass die Zeit des Briefe Schreibens bei vielen entweder abgenommen hat oder gänzlich durch Handy Kurznachrichten entschwand. Leider gehört dies wohl in den Strudel der Schnelllebigkeit, des Zeitfressers der Oberflächlichkeit und des Desinteresses sich auf einen anderen Menschen einzulassen. (den man noch nicht richtig kennt).
    Vielleicht liegt es auch daran, dass uns unsere eigene Schrift fremd geworden und durch die Tastatur ersetzt wurde.
    liebe Grüße Angelface

    1. Hallo Angelface (was für ein schöner Name :), ja, ich hätte auch so viele Ideen im Kopf, wie es weitergehen könnte. Vielleicht mache ich es tatsächlich mal.
      Herzliche Grüße und eine schöne Woche
      Gudrun

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