Nachdem ich in Teil 3 schon über die Chemo schreiben wollte und es dann doch nur um die Vorbereitungen dazu gegangen war, möchte ich heute darüber schreiben,
wie ich meine Chemo-Zeit erlebt habe
Ich bin froh, dass ich in einer gynäkologisch/onkologischen Praxis bin und nicht in einem Krankenhaus. Es ist alles klein, fast familiär und sehr persönlich. Und ich habe eines gelernt, was mir die onkologische Fachkraft zu Anfang immer wieder sagt: Nicht auf andere hören, wie sie die Chemo durchgestanden haben und was die Nebenwirkungen angeht. Wenn man erst mit Angst auf irgendwelche Nebenwirkungen wartet, das tut Körper und Seele nicht gut.
Die Zusammensetzung der Chemo ist bei jeder Frau anders. Das hängt vom Krebs ab, denn jeder Brustkrebs ist auch anders. Außerdem spielen Alter, Allgemeinzustand, Größe und Gewicht ein Rolle. Jeden Montag habe ich einen Labortermin. Blutabnahme und wiegen ist Pflicht. +/- 5 kg an Gewicht ist ok, sonst muss die Chemo neu berechnet und zusammengesetzt werden. Jeden Montag ab 15 oder 16 Uhr hoffe ich, dass kein Anruf aus der Praxis kommt. Um 19 Uhr atme ich auf, dann steht der Chemo am nächsten Tag nichts im Wege. Falls die Blutwerte nicht in Ordnung sind, ruft die Praxis an und es müssen andere Maßnahmen ergriffen werden. Ich will einfach ohne irgendwelche Verzögerungen da durch.
Ach, ich habe vergessen: Fieber messen! Jeden Tag Fieber messen. Wenn das Thermometer 38 Grad oder mehr anzeigt, dann sofort das Notfallhandy meiner Ärztin oder das der Praxis anrufen oder sofort ins Krankenhaus fahren. Die Chemo macht wirklich alles kaputt, kranke und auch gesunde Zellen. Das Immunsystem ist total im Keller und kann keine Krankheiten mehr abwehren.
Als Erstes bekomme ich alle 14 Tage eine EC. Das E steht für das Medikament Epirubicin und das C für Cyclophosphamid. Am Abend vor der Chemo muss ich eine Tablette nehmen und am Tag der Chemo eine Stunde vorher noch zwei Tabletten. Die eine ist gegen Übelkeit und die andere ist für den Magen, dass er den ganzen Medikamenten-Cocktail überhaupt verträgt. Apropos Cocktail, eine von beiden Infusionen ist so richtig schön Camparie-orange. Die Tablette gegen Übelkeit muss jeweils noch zwei Tage nach der Chemo weiter genommen werden.
1. Chemo-Tag
Am Chemo-Tag darf nicht selbst Auto gefahren werden. Der Taxischein, den ich beim Vorgespräch bekommen habe, wurde von der Krankenkasse genehmigt und so steht mein Taxi an diesem Tag pünktlich vor der Tür. Ich bin viel zu früh in der Praxis. Den Behandungsraum kenne ich schon. Am Sessel steht ein Infusionsständer. An ihm hängen fünf Flaschen mit meinem Namen.
Es wird Blutdruck, Fieber und der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen und dann wird der Port angepikst und die erste Flasche angeschlossen. Ich werde gefragt, ob ich was trinken möchte. Was für ein Service. Meine Trinkflasche kann ich beim nächsten Mal zu Hause lassen.
Ich bin, glaube ich, der Neuling hier und werde von den anderen drei Frauen erst einmal unter ihre Fittiche genommen und über alles aufgeklärt. Ich habe natürlich Fragen über Fragen. Heute und hier lerne ich auch Nicole kennen. Eine junge Frau mit zwei Jungs. Ich werde in meiner Chemo-Zeit noch viele Frauen mit kleinen Kindern kennenlernen, die ich sehr bewundere. Nicht nur mit dieser schweren Krankheit umzugehen, die Behandlung durchzustehen und dann noch für die Kinder dazusein.
Plötzlich werde ich müde. Mir fällt es schwer die Augen aufzuhalten. Das gehört dazu. Bei jeder nächsten Chemositzung werde ich es feststellen. Manche Frauen schließen ihre Augen und klinken sich aus den Gesprächen aus. Einfach nur abschalten, vielleicht auch schlafen. Zwischendurch werde ich vom Personal immer wieder gefragt, wie es mir geht. Später kommt die Ärztin und spricht auch noch einmal mit mir.
Irgendwo piept es, bis ich mitbekomme, irgendwo ist immer eine Infusion durch und es muss die nächste angelegt werden. Nach gut 4 Stunden sind bei mir alle Flaschen durchgelaufen und zu der Müdigkeit kommt noch hinzu, dass der Kopf weh tut, als ob eine Grippe kommen will.
Ich rufe mein Taxi an. Mein Mann hat Mittagessen gekocht. Wir essen zusammen und danach lege ich mich erst einmal hin und bin auch gleich eingeschlafen. Am nächsten Tag um 18 Uhr rufe ich meine Ärztin an. Sie möchte wissen, wie es mir geht und wie ich die erste Chemo vertragen habe.
Die nächsten Tage
Also, wenn ich es nicht besser wüsste… Manchmal denke ich, wirkst die Chemo überhaupt. Mir geht es gut und ich kann meinen Alltag leben. Mit der Zeit merke ich nur, dass ich ziemlich lahm und langsam bin. Da ist jede Schnecke schneller. Aber was soll’s, wenn es nicht mehr ist, ist das auszuhalten.
Eine Woche später, der erste Labortermin und danach der Termin beim Kardiologen im gleichen Haus. Es soll noch ein Ultraschall vom Herzen gemacht werden. Aber auch da ist alles bestens „für mein Alter“. So hat die Ärztin gesagt. 🙂
Bei der 2. Chemo wird mir auf einmal gesat, dass das eine Medikament in Infusionsform nicht mehr zu bekommen ist und ich es jetzt in Tablettenform nehmen muss. Erschreckend. Zum Glück war es keins von den Krebsmedikamenten. Aber man muss sich das mal vorstellen, Medikamente, die knapp werden! Durch Zufall gab es abends dazu tatsächlich einen Beitrag im Fernsehen, der einem fast ein wenig Angst machen konnte.
Am Abend der 2. Chemo habe ich mich im Badezimmer vor den Spiegel gestellt und mir ganz bewusst in die Haare gefasst und leicht dran gezogen. Ich will doch mal sehen, ob schon… und … ich habe ein ganzes Büschel Haare in der Hand. Und nochmal… Die Haare gehen butterweich ohne Widerstand raus. Jetzt ist es so weit. Am nächsten Tag rufe ich das Perückenstudio an und vereinbare einen Termin um die Mittagszeit. Sie werden mir die Haare abnehmen. Einen Beitrag dazu, wie es mir damit ergangen ist, habe ich schon geschrieben. HIER kannst du nochmal reinschauen. Es war nicht einfach.
Jedenfals sind die Haare jetzt ab.
Am Tag der 3. Chemo soll eine Ultraschallkontrolle stattfinden. Wird die Ärztin wirklich schon einen Erfolg sehen? Nach so kurzer Zeit. Aber tatächlich, die Tumore haben ihre Form verändert und die Lymphknoten sind auch schon kleiner geworden.
Die Chemo wirkt
Mein Alltag läuft immer noch verhältnismäßig gut. Ich kann nochalles alleine und selbständig erledigen. Fahre einkaufen und in die Stadt, treffe mich mit einer ehemaligen Kollegin zum Frühstück. Eine andere Kollegin kommt mich zu Hause besuchen und ich treffe mich mit Nicole auf einen Kaffee. Nicole, die ich bei der Chemo kennengelernt habe. Und das ist nicht selbstverständlich. Andere Frauen haben mir im Nachhinein erzählt, wie sie diese ersten 4 Chemos vertragen haben und das war nicht schön.
Habe ich Nebenwirkungen?
Geringe – ab und zu habe ich einen metallischen Geschmack im Mund. Die Geschmacksnerven leiden. Ich fühle mich etwas schlapp und einen Tag habe ich Rückenschmerzen und die Knochen im Beckenbereich tun mir weh. Das ist dann aber einen Tag später auch schon wieder vorbei.
Ich habe meine 4. Chemo von diesen besagten 4 EC bekommen. Ein Aufatmen und ein breites Grinsen auf meinem Gesicht. Dabei sollten diese vier doch der Knaller sein. Ich bin so dankbar, dass ich bis hier so gut durchgekommen bin.
14 Tage später beginnt die neue Chemo. Im Therapieplan steht 12 Pacli. Was heißt das schon wieder? Das Medikament bzw. die Infusion heißt Paclitaxel. In Teil 5 meiner Geschichte erzähle ich, wie es die nächsten 12 Wochen weitergeht.
4 Antworten
Liebe Gudrun ich bin sehr froh für Dich, daß Deine Chemo abgeschlossen wurde bevor der Corona Wahnsinn losging. Ich kann Dich nur bewundern, wie Du alles bewältigt hast. Ich weiß auch gar nicht, ob ich eine Chemo machen würde auch mit dem Wissen dass es keine Alternative gibt. Jetzt erhole Dich bleibe schön zu Hause und pass auf Dich auf. Liebe Grüße Gabi
Liebe Gabi,
vielen lieben Dank. Ja, es war manchmal nicht einfach, aber es hielt sich in Grenzen. Ich bin froh, dass es nicht schlimmer war. Am 7.4. werde ich operiert und dann ist wieder ein Weg geschafft, bevor die Bestrahlungen losgehen.
Ich grüße dich ganz herzlich
Gudrun
Liebe Gudrun,
Du kannst so stolz auf Dich sein und ich muss immer noch an unseren Tag im Oktober denken und ich habe jeden Tag an Dich gedacht.
Auch wenn ich es Dir nicht so gezeigt oder gesagt habe. Aber irgendwie warst Du immer bei mir present und ich war immer glücklich und erleichtert, wenn ich gutes gelesen oder gehört hatte von Dir.
7.4….. bald ist es soweit und ich bin wieder in Gedanken bei Dir.
Ich drücke DICH ganz fest.
GLG
Elke
Liebe Elke,
wenn ich diese Zeilen lese, dann bin ich so froh und glücklich, dass wir uns kennengelernt haben. Auch wenn wir uns nicht oft sehen.
Danke, für deine lieben Worte. Ja, die letzten Wochen waren manchmal nicht einfach, aber es war zu schaffen. Jetzt wird der nächste Schritt
gemacht.
Ich grüße dich ganz herzlich
Gudrun