Brustkrebs – Meine Geschichte Teil 5

Ich denke zurück an meine Chemozeit. In Teil 4 HIER habe ich angefangen zu erzählen wie es mir in den ersten 8 Wochen ergangen ist. In dieser Zeit habe ich 4 starke Chemos bekommen. Aber jede oder jeder geht anders durch die Chemo. Ich hatte Glück und habe sie gut vertragen. Ich habe nach der letzten EC gestrahlt und aufgeatmet.

Die 2. Runde beginnt

Jetzt geht es weiter, 12 Pacli, also Paclitaxel. Jede Woche eine. Das heißt aber nicht, dass nur dieser eine Beutel durchläuft. Unter anderem sind da noch ein Antiallergikum, Kortison und eine Kochsalzlösung. Alles in allem dauert die ganze Prozedur ungefähr 3 Stunden. Und natürlich weiterhin jede Woche montags der Labortermin.

Neues Spiel - neues Glück

Du verstehst sicher, dass die Überschrift ironisch gemeint ist. Ein Spiel sind diese Wochen schon gar nicht und Glück sieht anders aus. Die erste von den 12 neuen Chemos bekomme ich am 30.12.2019. Einen Tag vor Silvester. Meine Chemo-Mädels und ich haben uns vorgenommen, an diesem Tag Silvester schon mal vorzufeiern. Natürlich nach Rücksprache mit dem Arzt. Also habe ich eine Flasche alkoholfreien Sekt mitgebracht. DURFTE ICH! Leider sitzen wir heute nicht zusammen in einem Zimmer. Nachdem ich meine Chemo-Mädels bei mir im Zimmer versorgt habe, verstecke ich die Flasche unter meiner Jacke und gehe nach nebenan. Muss ja keiner mitbekommen, was wir vorhaben. Wie sieht das denn aus, wenn ich mit einer offenen Sektflasche über den Flur einer Arztpraxis laufe. Ach, es war schön, wenn man nur ausblenden könnte, warum wir alle hier sind.

Das hört sich jetzt alles so leicht und flockig an. War es in dem Moment auch. Manchmal muss man sich auch mal ablenken.

Die nächsten Tage habe ich dafür mehr auf dem Sofa verbracht. Zwei Tage nach unserer alkoholfreien-Sekt-Chemo habe ich Knochenschmerzen im Becken und Schulterbereich bekomme. Diese hielten Gott sei Dank nur zwei Tage an.

Woche für Woche vergeht - Chemo für Chemo vergeht

Es ist die fünfte von den 12. Bisher ging es mir nicht schlechter, aber auch nicht besser dafür, dass diese Chemo nicht so stark sein soll. Doch dann, am Sonntag, 02.02.2020, das werde ich nicht vergessen. Um 16 Uhr bekomme ich Magenschmerzen. Im Laufe der nächsten zwei Stunden werden sie so stark, dass ich gar nicht mehr aufrecht gehen kann. Ich rufe die Notfall-Handynummer von meinem Arzt an und spreche ihm auf die Mailbox. Zwei Minuten später ruft er zurück. Er rät mir, eine von den Magentabletten zu nehmen, die ich während der 4 EC nehmen musste. Gesagt – getan. Aber es wird und wird nicht besser. Mein Mann und ich wissen uns keinen Rat mehr. Als die Schmerzen nach einer Stunde noch nicht besser sind und wir nicht wissen, was wir machen sollen, ruft er kurzerhand den Rettungswagen. Auf meinem Notfallzettel, den ich zu Beginn der Chemo bekommen habe steht ja: Notfall-Handynummer oder Krankenhaus. Es ist 20.30 Uhr. Und was soll ich sagen, fünf Minuten später werden die Magenschmerzen langsam besser. Jetzt wieder anrufen und den Rettungswagen abbestellen? Was sollen die denken. Die Rettungssanitäter, die kurz darauf kommen, sind total nett. Ich erkläre ihnen was los ist und sie checken mich in ihrem Wagen nochmal durch, von Blutdruck, EKG und ich weiß nicht was. Sie sind wirklich sehr gewissenhaft. Als ich ihnen sage, dass ich nicht mit ins Krankenaus fahren möchte, muss ich einige Papiere unterschreiben und das war es dann. Ich kam mir schon etwas blöd vor. Diese Magenschmerzen wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht. Am nächsten Tag habe ich ein Gespräch mit meiner Ärztin und sie rät mir, die Magentablette bis zum Ende der Chemo zu nehmen.

Ich merke, wie ich immer schlechter auf den Beinen bin. Die drei Treppen im Ärztehaus, die ich immer ganz eisern zu Fuß hochgegangen bin, schaffe ich nicht mehr. Fahrstuhl fahren ist angesagt. Zu Hause der Weg vom Schlafzimmer ins Badezimmer kommt mir vor, als ob ich einen Marathonlauf mache. Schuhe anziehen ist für mich ein Kraftakt und mein Mann schaut mich besorgt an. Zu den Laborterminen fahre ich schon nicht mehr alleine. Ich fühle mich einfach zu unsicher und schlapp.

Bei Chemo Nr. 8/12 sind meine Entzündungswerte zu hoch. Da ich aber kein Fieber habe, muss ich nicht eine Woche aussetzen und die Chemo kann ganz normal wie gewohnt durchlaufen. Gott sei Dank.

Ab Chemo Nr. 9/12 werden meine Eisenwerte schlechter. Jetzt heißt es wieder mit einer Spritze nachhelfen wie zu Anfang bei den 4 EC. Meine Augen werden schlechter und meine Handschrift ist eine Katastrophe.

Ganz langsam schleicht sich das Hand-Fuß-Syndrom in meine Fingerspitzen und Füße. Es macht sich durch Kribbeln und Taubheitsgefühl bemerkbar. Bei den Chemos werden die Hände und Füße zwar in Kühlkissen gepackt, das soll verhindern, dass die Chemo bis in die kleinsten Nervenbahnen vordringt. Aber, das klappt in den wenigsten Fällen. In den Füßen habe ich es einen Tag so arg, dass ich beim Aufstehen aus dem Sessel gefallen bin. Ich habe kein Gefühl im linken Fuß und habe es nicht gemerkt. Da liege ich nun auf dem Fußboden und heule was das Zeug hält. Mein Mann möchte mir aufhelfen, aber ich will das nicht. Ich bleibe liegen und muss erstmal langsam zu mir finden. Von da an ist Vorsicht geboten.

Bei Chemo Nr. 10/12 bekomme ich den Termin für das OP-Vorgespräch im Brustzentrum. Noch 2 Chemos. Erleichterung steig in mir auf. Ein Ende ist in Sicht. Die Eisenwerte sind mittlerweile so im Keller, dass die Eisenspritze nicht mehr reicht. Jetzt werde ich 14-tägig an eine Eiseninfusion gehängt, auch noch nach Ende der Chemos.

Der letzte Tag der Chemo kommt mir so unwirklich vor. Wochen und Monate bin ich regelmäßig in die Praxis gekommen. Habe mich mit Frauen ausgetauscht, die auch an Krebs erkrankt sind und das nicht zum ersten mal. Zwischen den onkologischen Fachkräften und mir hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt, für das ich sehr dankbar bin. Sie haben mich durch diese Zeit getragen.

Diese 12 Chemos habe ich in diese paar Zeilen gepackt, dabei zogen sie sich wie Kaugummi und ich dachte, sie gehen nie vorbei. Sie waren, nach meinem Unfall 2001, die schlimmste Zeit überhaupt. Ich bin stolz auf mich und meinen Körper, dass wir beide durch diese Zeit so gut durchgekommen sind. Es ist noch nicht ganz vorbei. Aber das erste Viertel ist geschafft.

Man gut, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, was mich einen Tag vor meiner Brust-OP noch ereilen wird.

Viele Grüße

Gudrun

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4 Antworten

  1. Liebe Gudrun wenn ich das lese kommen mir die Tränen. Es ist so brutal, daß man kaum glauben mag daß man dem Körper das antun muss um wieder gesund zu werden. Ich wünsche Dir alles gute, dass die Kräfte zurückkommen. Ich habe eine sehr liebe Bekannte, die auch so viele Chemos durchgestanden hat und Bestrahlungen haben ihre Knochen angegriffen (es war ein anderer Krebs) – aber als das alles vorbei war ging und geht es ihr wieder gut. Jedesmal freue ich mich wenn ich sie sehe wie sie strahlt. Liebe Grüße Gabi

    1. Liebe Gabi,
      ja, heute sage ich: Da fühlt man sich gesund und es wird einem gesagt, dass man schwer krank ist. Dann bekommt man eine Medizin, die einen total krank macht, um wieder gesund zu werden. Irgendwie irre. Aber wenn es hilft. Danke für deine lieben Wünsche.

      Liebe Grüße
      Gudrun

  2. Liebe Gudrun,

    jetzt sitze ich hier und lese das. Du Powerfrau, hast Dir nie etwas anmerken lassen und doch habe ich im innersten es geahnt.
    Du bist wie meine Kollegin Edeltraud und dafür bewundere ich Dich und drücke Dich ganz sanft… Wegen dem Wirbel und so.

    Ganz liebe Grüße
    Elke

    1. Liebe Elke,
      ja, so bin ich. Aber wenn es mir nicht gut ging, dann kam auch kein Foto und kein Beitrag. Aber diese Zeit ist zum Glück vorbei.

      Herzliche Grüße
      Gudrun

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