Oben Erde, unten Himmel – ein Buch, das nachdenklich stimmt

*Dieser Beitrag enthält unbeauftragte Werbung*

Ich gebe zu, ich hätte mir das Buch aufgrund des Klappentextes nicht unbedingt gekauft. Durch Zufall bin ich auf die Ankündigung der Lesung von Milena Michiko Flašar gestoßen. Sie wurde in St. Pölten geboren und ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre bisherigen Romane wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Heute lebt Frau Flašar in Wien.

Klappentext des Buches "Oben Erde, unten Himmel"

Alleinstehend. Mit Hamster, so beschreibt sie sich selbst. Suzu lebt in einer japanischen Großstadt. Unscheinbar. Durchscheinend fast. Der neue Job aber verändert alles. Ein umwerfender Roman über Nachsicht, Umsicht und gegenseitige Achtung.

Herr Ono ist unbemerkt verstorben. Allein. Es gibt viele wie ihn, immer mehr. Erst wenn es wärmer wird, rufen die Nachbarn die Polizei. Und dann Herrn Sakai mit dem Putztrupp, zu dem Suzu nun gehört. Sie sind spezialisiert auf solche Kodokushi-Fälle. „Fräulein Suzu“, wie der Chef sie nennt, fügt sich widerstrebend in die neue Aufgabe. Es braucht dafür viel Geduld, Ehrfurcht und Sorgfalt, außerdem einen robusten Magen. Die Städte wachsen, zugleich entfernt man sich voneinander, und häufig verschwimmt die Grenze zwischen Desinteresse und Diskretion. Suzu lernt schnell. Und sie lernt schnell Menschen kennen. Tote wie Lebendige, mit ganz unterschiedlichen Daseinswegen. Sie sieht Fassaden bröckeln und ihre eigene porös werden. Und obwohl ihr Goldhamster sich neuerdings vor ihr versteckt, ist sie mit einem Mal viel weniger allein.

Wie gesagt, ich weiß nicht, ob ich mir den Roman gekauft hätte. Doch dann habe ich die Lesung von Milena Michiko Flašar besucht. Ihre einfühlsame Stimme, Tonlage und Betonungen und die kleinen Pausen im richtigen Moment haben mich aufhorchen lassen. Ich bin eingetaucht in die Geschichte und ich habe mich dem nicht leichten, aber von ihr manchmal doch heiter dargestellten Thema geöffnet.

Fräulein Suzu lebt allein mit ihrem Hamster in einer Großstadt. Sie ist gerne allein und vermisst nichts. Ihre Eltern leben weit entfernt, sie hat keine Freundinnen und ihre Kolleginnen in dem Restaurant, in dem sie bedient, finden sie merkwürdig. Ihr Chef entlässt sie, weil ihm bei ihr das „soziale Plus“ fehlt. Sie kann gut putzen, sagt er, aber nicht mit Gästen umgehen. Sie bewirbt sich bei einer Reinigungsfirma, wird eingestellt und erfährt erst hinterher, um was für Reinigungen es sich handelt. Aber sie will es probieren.

Und so reinigt sie fortan Wohnungen, in der ein Mensch einsam und allein gestorben und erst nach kurzer oder auch langer Zeit gefunden wird. Im Laufe der Zeit verändert sich Fräulein Suzu und auch ihr Leben.

Kodokushi, der "einsame Tod"

Allein in Tokio sterben ca. 3000 Menschen allein. Sie werden Wochen, manchmal erst Monate später entdeckt. Man fragt sich, quillt der Postkasten nicht über? Von wem sollen sie Post bekommen. Sie sind allein. Entweder haben sie keine Familie, oder sie haben noch eine, aber aus besonderen Gründen keinen Kontakt mehr. Es gibt in Japan Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, diese Wohnungen zu entrümpeln und praktisch ein Leben auszulöschen

In dem Buch hat mich eine Stelle besonders berührt. Der Chef der Reinigungsfirma, Herr Sakai, geht nicht einfach in eine Wohnung und beginnt mit der Arbeit, sondern, bevor er sie betritt, bleibt er in der offenen Tür stehen und spricht mit der Seele des Toten. Er begrüßt ihn bzw. die Seele und sagt, dass er jetzt die Wohnung betreten wird. Er, der Tote, muss keine Angst haben. Er, Herr Sakai, wird pfleglich mit den Sachen umgehen. „Ich trete jetzt ein“, erst dann beginnt er mit seinen Leuten die Arbeit.

Passiert das in Deutschland auch?

Das Statistische Bundesamt hat 2020 mitgeteilt, dass es 16,7 Millionen Einpersonenhaushalte gab, davon sind 5,9 Millionen Menschen 65 und älter. Oft gibt es für diese über 65-jährigen nur die Stimme aus dem Fernsehen. Gerade in Großstädten sterben Menschen einsam. Die Gründe sind vielfältig. Aus dem Beruf raus, der Partner verstorben und die Familie, wenn es denn eine gibt, wohnt weit weg. Sogar soziale Kontakte fehlen. Erschreckend.

Ich finde es bemerkenswert, dass Milena Michiko Flašar sich diesem Thema angenommen und die richtigen Worte gefunden hat. Es wird einen besonderen Platz in meinem Bücherregal bekommen.

Wenn der Himmel unten wäre und die Erde oben,

dann würden wir auf Wolken laufen.

(Aus dem Buch “Oben Erde, unten Himmel”)

Liebe Grüße

Gudrun

 

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4 Antworten

  1. Hallo Gudrun,
    das Buch hab ich mir nach deiner Vorstellung besorgt und es gefiel mir ausgesprochen gut. Mich hat vor allem die Sichtweise un ie Verbindlichkeit und Höflichkeit des Chefs total beeindruckt. Auch der lockere Scheibstil machte es zu einem Buch, das ich sehr schnell durchgelesen hatte. Dankeschön und viele Grüße
    Heike

    1. Das freut mich sehr, liebe Heike. Ja, es lässt sich gut lesen. Das Thema ist ja nicht einfach, aber der Schreibstil ist wirklich locker und mit einem gewissen Humor. Wie ich schon geschrieben habe, ich weiß nicht, ob ich es mir gekauft hätte, wenn ich die Lesung nicht besucht hätte.
      Herzliche Grüße
      Gudrun

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