Es gibt manchmal so Tage, da wäre man am besten im Bett geblieben. Nichts klappt, alles geht schief oder wächst einem über den Kopf und es bleibt keine Pause zum Durchschnaufen.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Produktivität zählt. Wenn wir einfach nur mal so die Hände ruhen lassen, rumstehen, einfach nur mal durchatmen, den Wolken zuschauen, wie sie am Himmel ziehen oder den Vögeln beim Zwitschern zuhören – dann kann es passieren, dass man gefragt wird: Haben Sie nichts zu tun? Hast du so einen Chef oder solche Kolleginnen und Kollegen? Oder machen wir, du und ich, uns selbst den Druck, weil wir etwas schaffen wollen und denken, einfach nur sitzen und schauen, was sollen die anderen denken?
Immer schneller – höher – weiter
Mehr arbeiten, herstellen, mehr Verkaufsabschlüsse, mehr Einnahmen. Mehr, mehr, mehr. Und wer bleibt auf der Strecke? Der Mensch! Alle Krankenkassen haben in ihren Jahresberichten festgestellt, dass die Krankschreibungen wegen psychischer Belastungen angestiegen sind.
Jetzt fragst du dich sicher, warum ich darüber schreibe, denn ich bin doch über 60 plus und gar nicht mehr berufstätig. Gott sei Dank hatte ich in meinem Berufsleben immer Chefs, die mit mir zusammen in der Kaffeeküche standen und eine Kaffeepause gemacht haben und dabei haben wir uns ausgetauscht, beruflich oder auch privat.
Aber mal ganz ehrlich, Ruhestand hin oder her, auch meine To-do-Liste ist manchmal ganz schön lang. Wohlgemerkt ICH mache mir die To-Do-Liste und kein Chef. Und wenn ich Dinge als erledigt streiche, stehen plötzlich am Ende der Liste drei neue. Mir schaut keiner über die Schulter, ob und wann ich etwas mache und ich kann auch mal gar nichts tun und einfach am Fenster stehen, meinen Kaffee trinken und dabei den Wolken zusehen.
Pausen sind wichtig
Auch ich nehme mir Pausen während meiner Hausarbeit oder wenn ich am Computer sitze und das Handy darf dann auch mal ganz weit weg sein. Das Handy weit weg packen, das übe ich gerade 😉 , denn ich habe gemerkt, dass ich in den letzten Wochen und Monaten zuviel draufgeschaut habe. Die ständig wechselnden Bilder, die Musik und die sicher auch interessanten Beiträge (manchmal) sind Reizüberflutung für unsere Augen, Ohren und unseren Kopf.
Ab in die Natur
Ganz oft gehe ich morgens auch wieder eine Runde raus. Ich gebe zu, manchmal muss ich mich selbst überreden 😉 , aber danach bin ich froh, es getan zu haben. Jetzt kommt eine Frage, vielleicht lachst du gleich. Hast du schon mal einen Baum umarmt? Nein? Dann solltest du es vielleicht mal versuchen.
Mein erstes Mal
Heute weiß man, dass Waldbaden und Achtsamkeitsspaziergänge gut für Körper, Geist und Seele sind. Als ich das erste Mal einen Baum umarmt habe, da hatte ich noch keine Ahnung davon, habe aber gemerkt, wie schön und entspannend das ist.
Es war in Südfrankreich. Wir haben den Pont du Gard besucht. Vom Haupteingang durch den Kassenbereich geht man einen Weg in Richtung des Viadukts. Vereinzelt kann man hier und da schon einen Bogen des imposanten Bauwerks sehen und dann, kurz vorher, steht er da.
Auf der rechten Seite. Er hat mich vom ersten Augenblick an fasziniert. Ein uralter Olivenbaum. Ich konnte nicht anders, ich bin hin und habe in umarmt. Habe meine Wange an den rauen trockenen Stamm gelegt und den erdigen Geruch eingeatmet. Mit geschlossenen Augen habe ich eine Weile dort gestanden und die Welt um mich herum ausgeblendet. Irgendwann musste ich mich aber doch lösen, denn wir wollten weiter. Auf dem Rückweg sind wir wieder dort vorbeigekommen und ich habe mich immer wieder umgeschaut, als wenn ich einen alten Freund dort zurücklasse. Wir sind die nächsten zwei Jahre wieder dort gewesen und wenn ich um die letzte Wegbiegung kam, war mein erster Blick zu diesem Olivenbaum.
Einen Baum zu umarmen kann Stress reduzieren und zu Entspannung führen, ebenso Pflanzen zu berühren.
Innehalten
Wenn du nun gerade keine Zeit hast, in die Natur zu gehen, dann probiere es doch mal mit Berührungspunkten.
Such dir einen Gegenstand, den du im Laufe des Tages immer wieder berührst, das kann deine Brille sein, deine Armbanduhr, die Bürste beim Haare kämmen oder wenn du dir die Schuhe zubindest. Du wirst für dich bestimmt noch den einen oder anderen Gegenstand finden. Jedes Mal, wenn du ihn berührst, dann halte inne, nimm die Umgebung um dich herum wahr. Die Brille, die Uhr oder was auch immer soll dich daran erinnern, innezuhalten und genau jetzt in diesem Augenblick zu leben. Lass es nur einige Sekunden sein, aber mache dies über den ganzen Tag verteilt, wenn du das Objekt berührst. Diese winzigen Pausen über den Tag verteilt kann man auch Mikro-Pausen nennen.
Ich habe einen schönen Satz gelesen: Vor lauter Gas geben, das Bremsen nicht vergessen!
In diesem Sinne, ruhig mal etwas auf die Bremse treten. Nicht, dass unser Leben plötzlich durch eine Vollbremsung aus den Angeln gehoben wird, weil wir die kleinen Mikro-Pausen außer Acht gelassen haben.
Liebe Grüße
Gudrun
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10 Antworten
Eine gute Erinnerung ans Bremsen! Es stimmt, man vergisst es zuweilen… einen Baum zu umarmen finde ich gar nicht lächerlich, Bäume sind Lebewesen, nach neuesten Erkenntnissen haben sie sogar „soziale Fähigkeiten“ (sie teilen sich irgendwie durch ihre Wurzeln das Wasser bei Wasserknappheit, sie „kommunizieren“ auch durchs Wurzelwerk). Deshalb hab ich in der Natur, selbst, wenn ich allein bin, nie das Gefühl, wirklich allein zu sein.
Mein Chef ist in der Arbeit nicht das Problem, mein Klientel fordert mich schon von ganz allein :-DDDD.
Liebe Grüße, Maren
Ja, die Idee kam mir, da ich mich auch gerade wieder etwas ausgebremst habe. Aber das würde hier zu weit führen. Mich interessiert nochmal das Buch von dem Förster, Wohlleben heißt er glaube ich. Der schrieb ein Buch, wie Bäume kommunizieren. Das finde ich total interessant. Manchmal geht es mir mit meinen Zimmerpflanzen so. Wenn ich vergessen habe sie zu gießen, dann habe ich das Gefühl, sie regelrecht aufatmen zu hören, wenn ich ihnen Wasser gebe. Es ist schon ein interessantes Thema.
Liebe Grüße
Gudrun
Hallo liebe Gudrun, ja „Waldbaden“ wird oft belächelt, aber es tut einfach gut. Und es muss ja nicht gleich umarmen sein, man kann sich ja auch erst einmal mit einem längeren Aufenthalt im Wald oder Natur rantasten. Ich bin ja neuerdings immer mal wieder einen oder mehrere Tage auf dem Jakobsweg unterwegs, da komme ich auch schnell runter, während ich einen Fuß vor den anderen setze. Aber es hat wohl nicht gereicht mit meinen kleinen und großen Auszeiten, ich habe die letzten Jahre viel zu viele und viel zu lange To-Do-Listen geschrieben und abgearbeitet. Mein Zeitmanagement ist aus dem Ruder gelaufen. Es geht nicht in Richtung Burnout, aber meine Selbstheilungskräfte können sich nicht mehr mobilisieren. Danke für deinen Beitrag, ein Reminder für mich, dass sich bei mir JETZT oder SCHNELL etwas ändern muss.
Herzliche Grüße
Sigi
Liebe Sigi, ganz ehrlich, ich habe gedacht, dieser Artikel könnte interessant sein. Und warum? Weil ich auch angeschlagen bin. Auch kein Burnout, aber mein Körper rebelliert und zeigt mir meine Grenzen auf. Man weiß, was einem guttut und das Pausen wichtig sind aber, aber solange alles läuft. So ist der Mensch. Ich bin auch gerade wieder am Gegensteuern. Die ersten Anzeichen stehen auf GUT und dann muss ich – wieder einmal – aufpassen und hoffe, dass es nicht ins Gegenteil kippt.
Ich habe deinen Jakobsweg immer mit Interesse verfolgt und finde das sehr spannend und bewundere dich.
Liebe Grüße
Gudrun
Ich stimme Dir voll zu liebe Gudrun. Zum Glück bin ich ein Mensch, der auch mal Nein sagen kann, wenn es zuviel wird. Auch zu meinem Chef. Bisher bin ich damit immer gut gefahren.
Pausen sind absolut notwendig, um einmal abzuschalten. Spaziergänge in der Natur tun da sehr gut.
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Sabine,
das ist schon mal sehr gut, dass du NEIN sagen kannst. Das musste ich erst lernen. Es klappt ganz gut und immer öfter. Aber es war für mich ein Lernprozess. Im Moment hat mein Körper mir mal wieder signalisiert, wo es lang geht. Vielleicht hätte ich sonst den Beitrag gar nicht geschrieben. Doch es wird schon wieder besser, nachdem ich endlich wieder meine Spaziergänge mache, die sozialen Netzwerke etwas heruntergeschraubt habe und ich mir auch mal die Stille suche.
Herzliche Grüße
Gudrun
Liebe Gudrun,
da hast du ein sehr wichtiges Thema aufgegriffen. Ich muss gestehen, dass ich keine Bäume umarme, aber die Natur förmlich einsauge und dem Alltag entrinnen kann.
Liebe Grüße!
Liebe Jenny,
ich bin lange nicht spazierengegangen. Ausreden gab es genug 😉 Das regnet, es ist zu kalt, es ist zu stürmisch, ich muss an meinem Roman weiterschreiben und und und. Ausreden fallen einem immer wieder ein. Aber vor vier Wochen hat mir mein Körper mal wieder gesagt, wo es lang geht. Also gehe ich wieder spazieren, gönne mir mehr Ruhe, stelle die sozialen Netzwerke mal hinten an und ich merke, so langsam kommt mein Körper wieder in die Spur. Da dachte ich, dass dieser Beitrag mal als Reminder für alle gut ist.
Herzliche Grüße
Du ispirierst dazu, mal wieder einen Wald aufzusuchen. Bei mir wäre das der Plänterwald, ca. 10 bis 15 Fahrradminuten von meiner Wohnung entfernt – einbisschen Cardio-Training wäre also auch dabei!
Das mit dem vielen „aufs Handy schauen“ trifft mich nicht und ich wunder mich immer, warum das ein Problem sein soll. Vermutlich liegt es daran, dass ich meine Kommunikation und auch das Info-Surfen etc. über den PC abwickle und das Handy allenfalls mal „als Radio“ laufen lasse. Alle Apps außer SMS hab ich stumm geschaltet.
Bin freiberuflich aktive (Mini-) Rentnerin. Zum Glück von Auftraggebern versorgt, denen es nicht auf den Tag ankommt. Dein Blog hab ich über Blogs50plus gefunden.
Liebe Claudia, fein, dass du mich gefunden und vorbeigeschaut hast. Vielleicht lesen wir ja ab und zu von einander. Ich habe mein Handy grundsätzlich stumm geschaltet. Das ewige PIEPS würde mich kirre machen. Da ich aber meine Community über Instagram habe, schaue ich doch öfter da rein. Ist aber schon weniger geworden 😉 und nur noch gezielt und mit Zeitmanagement. Fein, dass das bei dir besser klappt.
Liebe Grüße
Gudrun