Ist Waldbaden das neue Spazierengehen? Der Ausdruck WALDBADEN kam mir in den letzten Tagen des Öfteren unter und als ich heute Morgen mit meinen Mann in unserem Naherholungsgebiet spazieren ging, da habe ich hinterher gesagt: Ja, so stelle ich mir waldbaden vor. Zu Hause habe ich mich hingesetzt und nachgesehen, was waldbaden so besonders macht. Genau das, was ich bei unserem Spaziergang gefühlt habe oder wie ich mich gefühlt habe?
Shinrin Yoku heißt „Waldbaden“ oder auch „Baden in der Atmosphäre des Waldes“. Shinrin Yoku kommt aus Japan und gehört dort zur Gesundheitsvorsorge. Die Wissenschaft hat sich damit beschäftigt und raus kam, was wir eigentlich schon wussten: Es ist so entspannend. Laut den Wissenschaftlern senkt ein Waldbad den Blutdruck und den Puls und Stresshormone werden reduziert. Aber die Wissenschaftler forschen noch weiter und es ist nicht einfach nur spazieren gehen. Es kommt nicht auf die Strecke an, die wir zurücklegen. Es geht um alle unsere Sinne, die wir wieder spüren und einsetzen. Es geht um Zeit nehmen und Achtsam sein, um ganz bewusst und intensiv im hier und jetzt zu sein.
Entspannung
Genau das durfte ich heute auch erfahren. Auf dem Spaziergang ist uns keine Menschenseele begegnet, nur die Sonne schien durch die Blätter der Bäume. Die Vögel zwitscherten laut. Einer schöner als der andere. Ich blieb stehen und hörte einfach nur zu. Ein Kuckuck rief und aus einer anderen Richtung hat ein anderer Kuckuck geantwortet. Bäume faszinierten mich, alt, knorrig, verwachsen und ich spürte ihre warme Ausstrahlung. Warum habe ich nicht einen Baum umarmt? Aber beim nächsten Mal. Ich möchte den warmen Baumstamm spüren, die raue Rinde und den Geruch tief einatmen.
Ich kann mich noch an eine ganz neue Walderfahrung erinnern. Unsere Weihnachtsfeier mit den Kollegen vor 2 Jahren fand genau in diesem Naherholungsgebiet in einem Restaurant statt. Vor dem Essen gab es noch eine Führung durch den Wald. Treffen war um 17 Uhr. Vorher dachte ich noch: Es ist dunkel, was sollen wir da noch durch den Wald laufen. Es gab auch kein Licht, keine Lampe, nichts. Es war einfach nur finster. Wir wurden von einer Waldpädagogin begrüßt und unsere erste Aufgabe war, mit verbundenen Augen von Baum zu Baum zu gehen. Es war ein Seil zwischen den Bäumen gespannt, uns wurden die Augen verbunden und wir suchten, immer am Seil entlang, unseren Weg. So kamen wir in Berührung mit den Bäumen, rochen den Waldboden unter uns, etwas modrig aber doch ein sehr angenehmer Geruch. Nach dieser ersten Berührung mit den Bäumen ging es weiter in den Wald und die Augen gewöhnten sich ziemlich schnell an die Dunkelheit. Es wurden weitere Aktionen gemacht, wobei es um das Fühlen und Hören ging. Unsere Sinne wurden geschärft und ich merkte, was ich im Alltag eigentlich nicht mehr merkte. Fühlen, sehen, hören, alles ist uns zur Selbstverständlichkeit geworden. Wir werden tagtäglich mit Geräuschen zugeballert und es ist für uns alles normal.
Was für mich bei diesem Waldbesuch im Dunkeln aber fast unbeschreiblich war, wir sollten allein durch den Wald von A nach B. Die Waldpädagogin ging voran und setzte von Zeit zu Zeit brennende Teelichter, die uns den Weg zeigen sollten. Nacheinander gingen wir, in Abständen von ein paar Minuten, allein den Weg. Die ersten Schritte waren komisch, voller Unsicherheit. Ich tastete mich vorsichtig voran. Die Angst über eine Wurzel zu stolpern, oder dass vielleicht irgendetwas aus den Büschen kam, war da. Niemand, mit dem ich erzählen konnte. Niemand, mit dem ich meine Unsicherheit oder Angst teilen konnte. Aber von Schritt zu Schritt wurde ich sicherer. Mein Gang wurde aufrechter und mein Blick ging hin und her, nicht mehr nur starr auf den Waldboden gerichtet. Viel zu schnell war der Weg zu Ende. Ich hätte noch stundenlang so weitergehen können. Das war Waldbaden.